English version: "Why does a Master Goldsmith establish a Museum of Jewelry?"

SCHMUCKMUSEUM
BONN

Warum eröffnet eine Goldschmiedemeisterin ein Schmuckmuseum?

Es ist ein kleines, privates Schmuckmuseum das nicht darauf abzielt, mit materiellem Wert zu imponieren. Es geht um das spannende Wechselspiel zwischen Alltagstauglichkeit und Gestaltung, um Gebrauchsfunktion in vollendeter Harmonie mit ästhetischer Leistung, ein Verschmelzen von Kunst und Leben. Es geht um praktisches Können und handwerklich-technische Virtuosität, denn die Phantasie beweist sich erst durch disziplinierte, präzise Realisation. Kreative Beherrschung 6000 Jahre alter Handwerkstechniken bis hin zu modernster Feinmechanik, Elektronik und Laser machen es erst möglich, daß Ideenreichtum in allen Facetten zum Tragen kommt. Jedes Schmuckstück ist eine Erfindung, sowohl in Form und Gestaltung, als auch in der technisch-handwerklichen Ausführung. Unterschiedlichste Materialien, nicht nur Gold, Platin und Silber in allen Legierungen, auch andere Metalle, Edelsteine und Mineralien, Perlen, Korallen, Kunststoffe, Federn, Muscheln, Schneckenhäuser, Elfenbein, Haare, Hölzer ... alles kann verarbeitet, muß aber auch beherrscht werden.

Die angewandte Kunst gilt als belang- und harmlos, als Kunst zweiter Klasse. Dieses Miss­verständnis hat einen Widerspruch zwischen kultureller Bedeutung und öffentlicher Resonanz zur Folge. Eine Kultur, die von banalen Produkten der ausschließlich profit­orientierten Massenproduktion beherrscht wird, macht eine Schulung des Qualitätsbewusst­seins dringend notwendig, ohne daß die Forderung zur Ausbildung persönlicher, ästhetischer Kriterien mit einer Norm des guten Geschmacks verwechselt werden darf. Diese Norm des angeblich guten Geschmacks wurde längst festgelegt: Design. Kriterien, Exponate der Schmuckkunst schätzen und beurteilen zu können fehlen.

In deutschen Universitäten gelten nur 4 % des kunsthistorischen Lehrangebots dem Teilbereich angewandte Kunst. In ganz Deutschland gibt es nur zwei Lehrstühle mit diesem Schwerpunkt. Das mangelhafte Wissen spiegelt sich in der Rezeption durch die Presse. Auf Inkompetenz und daraus folgende Unsicherheit folgt geringe Beachtung. So leidet die öffentlichkeit unter einem permanenten Informationsdefizit im Hinblick auf angewandte Kunst. Unser hoch­ver­schuldeter Staat leistet sich eine faszinierende Fülle von hervorragenden Museumsneubauten mit gewaltigen Folgekosten. Sie alle sind der "richtigen" Kunst gewidmed. Das inadäquate Image der angewandten Kunst macht es unmöglich öffentliche Gelder auch nur annähernd in solchen Dimensionen für sie bereitzustellen. Da fließen die Zuschüsse spärlich oder gar nicht.

Angesichts dieser Verhältnisse ist die Eröffnung eines privaten Schmuckmuseums und Informationszentrums für die Schmuckkunst in naivem Idealismus für mich eine Notwendigkeit.

Goldschmiedemeisterin Franziska Kelz-Blank