Ein Brunnen in Bamberg
von Dr. Walter Schmitz

 
      Brunnen sind Mittelpunkte des Lebens. In ihrer ursprünglichen, einfachen Form fassen sie das lebensnotwendige Wasser; mit Ornamenten und Skulpturen verziert, sind sie auf Marktplätzen Ort der menschlichen Begegnung; in stillen Höfen und Gärten laden sie ein zur Meditation. Immer bilden Brunnen ein Zentrum, von dem mythische, mystische, heilende Kräfte ausgehen.

      Ein kunstverständiger Bamberger besuchte eine Ausstellung, in der Schmuck und Skulpturen von Franziska Kelz-Blank gezeigt wurden – er erteilte den Auftrag, einen Brunnen für seinen Garten zu schaffen. Wer den Schmuck und die Skulpturen der Goldschmiedemeisterin betrachtet, der entdeckt bald, daß er Plastiken und Skulpturen vor sich hat – ihre Werke haben „viele Seiten“. Eine wesentliche Rolle in ihrem Schmuck spielt die Spindel des Schneckenhauses. Zu Kettengliedern aneinander gereiht, als Ring den Finger umwindend oder in Kleinplastiken eigenständig, gestaltet sie häufig diese der Natur entnommene Spiralform – organisch aus dem Boden emporwachsend oder auf der Spitze ausbalanciert und aufragend. Hier finden sich Vorbild und Idee für den „Bamberger Brunnen“.

Brunnen in Bamberg       Der Auftraggeber, ein termingeplagter Unternehmer, suchte im Garten seines Anwesens einen Mittelpunkt zur Meditation. Seine Vorgabe und die Zielvorstellung der Künstlerin trafen sich im „Motiv“. Das kultivierte, gefaßte Fließen des Wassers wird um die Achse, das Zentrum der Spindel geleitet und symbolisiert Lebensmitte. Das Stürzen des Wassers wird sanft gebändigt und folgt willig den Windungen des „Spindelschneckenhauses“. Gleichwohl vermag dieser Brunnen auch die dynamischen Kräfte des Wassers zu befreien. Ein stärkeres Strömen des Elementes in den oberen Spindelteller läßt es als Kaskade über den Rand stürzen, die folgenden Windungen mit starkem Gefälle leitet es konzentrisch in die nächste – wieder dem Teller angenäherte – Etappe, aus der eine zweite Kaskade sich in den Fuß des Brunnens ergießt, der das Wasser im Kiesbett versickern läßt – der Brunnenfuß (kein Sockel) wächst organisch, pflanzenhaft in gegenläufiger Richtung wieder zur Spindelspitze empor. Die gemächlichen Mäander des Flusses wie das polternde Stürzen des Wasserfalles werden eingefangen.

      Die Künstlerin gestaltete die Naturform nicht mathematisch streng, sondern in unterschiedlichen Schwingungen dem Rhythmus der Musik und dem Versmaß der Lyrik verwandt.

      Für Franziska Kelz-Blank hat alles Funktionieren einen Sinn, gewinnt die Funktion Symbolcharakter. Sie bringt Funktion und Materie in einen Zusammenhang, der eine Ordnung im klassischen Sinne entstehen läßt. Sie schafft Symbole, Sinnbilder also, die anregen und Inhalte erschließen. Form, Materie, Funktion gehen eine Sinnverbindung ein; es entsteht Ästhetik. Ein uraltes Symbol des Lebens, die Spindel, wird zum Brunnen.

      Die Goldschmiedemeisterin und Bildhauerin der kleinen Maße empfand das Gießen einer großen Plastik auch als handwerkliche Herausforderung; sie wollte ihr Modell nicht einfach einer Lohngießerei anvertrauen und abwarten, sondern selbst den Schöpfungsakt in einer Gießerei zumindest mitgestalten. Aber wie und wo?

      Zielstrebig folgte Franziska Kelz-Blank der ihr zufällig ins Haus flatternden Einladung zur Besichtigung einer Ausstellung „Künstlerischer Eisenguß“ in die Hessische Landesvertretung. Der genius loci brachte sie mit dem Betriebsleiter der Buderus-Kunstgießerei Hirzenhain ins Gespräch – und schon wenig später war die Goldschmiedemeisterin Praktikantin in der Gießerei. Sie paßte sich dem Arbeitsrhythmus im Werk an und arbeitete in allen Abteilungen (Modellbau, Gießerei, Bearbeitung). Und sie schuf das endgültige Modell für ihren Brunnen. Nach langer Arbeit war endlich alles zum Guß bereit. Ein aufregender Tag für die Künstlerin, Routine für die Gießer. Geschmolzene Bronze wurde in die Form gegossen, und als dann endlich, nach ungeduldigem Warten, die Gußform geöffnet werden konnte, stand der Brunnen noch glühend in der Halle. Das Element des Feuers hatte seine schöpferische Kraft bewiesen; die Idee hatte Gestalt angenommen.

Walter Schmitz


Entwurf des Bamberger Brunnens