In Franziskas Werkstatt
von Caroline Muhr

 
Vor jedem Fest
oder auch zum Kaffee am Nachmittag
tauchte ich mit einer dezenten Perlenkette ein
in die lauwarmen Wasser der Unauffälligkeit.
Ich fand mich geborgen im blassen Lächeln
der anderen Perlenkettenträgerinnen,
die sich klaglos
an einer Schreibmaschine verschleißen
oder nach spätestens drei Jahren Ehe
genaue Vorstellungen von dem besitzen,
was für eine Frau mittleren Alters
mit einem Gatten in gehobener Position
am ungefährlichsten ist.
Ich tarnte mich zur bequemen Anonymität.
Ich schmückte mich zu einer Person,
die ich nicht war.
Im Neonlicht der Werkstatt,
zwischen Hammer und Schweißbrenner,
lege ich mir,
ohne Konsequenzen zu ahnen,
einen Goldreif um den Hals.
Ich spüre ihn nicht.
Doch liegt der Amethystkristall
kühl und ungeschliffen
auf meiner Haut.
Und der Spiegel zeigt mir
bar jeder Schmeichelei,
dass auch ich
nicht nur mit Worten
so etwas wie
ein Ausrufezeichen
sein kann.

Caroline Muhr (* 20.5.1925    † 13.1.1978) war eine bekannte und erfolgreiche Bonner Autorin.
Ihre Romane wurden auch für Kino und Fernsehen verfilmt.