Schmuck + Skulptur
Franziska Kelz-Blank

Neue Residenz Bamberg
27. September - 18. Oktober 1981
 
Rede zur Eröffnung im Kaisersaal der Neuen Residenz
von Heinz-Ulrich Bullermann, Goldschmiedemeister
und Oberstudiendirektor der Staatlichen Zeichenakademie Hanau

Hans-Ulrich Bullermann

Meine sehr verehrten Damen, meine Herren,

Wir haben uns in einem Saal zusammengefunden, der mit seinen Farben und mit seinen Bildaussagen fast überquillt, der durch seine großartige öffnung zum Domplatz und zur Stadt hin ausstrahlt und zugleich das Leben und die Farben der Jahreszeit und des Tages hineinnimmt. Wir haben uns hier getroffen, um die Werke einer Künstlerin zu betrachten, die mit dieser Stadt und mit diesem Kulturraum eng verbunden ist. Wir werden aus diesem Saal – diesem Gesamtkunstwerk – nachher hinübergehen in die zwar gut proportionierten, aber doch schlichten Räume, und dann die eher kleinformatigen, subtilen Arbeiten der im besten Sinn modernen und gegenwärtigen Künstlerin betrachten.

Wir machen also einen Sprung über Jahrhunderte hinweg und erleben dadurch vielleicht um so bewußter die Rolle der Kunst als Ausdruck einer Zeitepoche. Hier das Zusammenspiel vieler Künste und Künstler und dort die individuellen Werke – jedes in sich abgeschlossen und für sich bestehend – einer Künstlerin, die auf ganz besondere Art ihre Innenwelt ausdrückt und manifestiert, die von Grund auf ganz eigene künstlerische Ausdrucksmittel entwickelt und einen sehr persönlichen Stil gefunden hat.

Die Ausdrucksformen, die Materialien und die Gestaltungstechniken bei den Schmuckstücken und den Skulpturen von Franziska Kelz-Blank sind umfangreich. Das Sehen und Ertasten, das Annehmen und Begreifen im eigentlichen Sinn des Wortes spielt die wesentliche Rolle. Das Plastische an sich und das Hineingreifen der Formen in den Raum sind wesentliche Gestaltungsmerkmale der Arbeiten dieser Künstlerin. Schmuck wird auch heute noch gern dem Bereich der angewandten Künste ausschließlich zugeordnet, und es ist ja leider auch eine Tatsache, daß die große Mehrzahl des Schmuckes durch die industrielle Fertigung seine ursprüngliche Bedeutung als kleines plastisches Kunstwerk verloren hat. Das materialistische Wertdenken hat den Schmuck weithin zum Statussymbol oder gar zum modischen Accessoire werden lassen. Schmuck vergangener Zeiten wird ganz selbstverständlich als künstlerischer Ausdruck einer geschichtlichen Epoche oder eines Kulturkreises in den Museen gezeigt. Ist es ein schlechtes Zeichen für den Schmuck oder für unsere Zeit, daß der Schmuck so kommerzialisiert wurde?

Dabei haben sich viele Künstler in unserem Jahrhundert mit Schmuck beschäftigt: die deutschen Expressionisten, französische Bildhauer, Maler wie Braque, Dali und andere. Vielleicht fanden sie für ihren Lebensbereich nicht mehr den richtigen Schmuck? – Schmuck ist im eigentlichen Sinn personenbezogen, er bekommt seine wirkliche Bedeutung erst in direkter Verbindung zum Menschen. Und deshalb ist beim Schmuck die Konstellation: Künstler, Schmuckstück und Träger sehr wichtig. Dann kann Schmuck Teil des Menschen und Ausdruck seiner Persönlichkeit werden, und dann stellt sich nur noch die Frage nach dem künstlerischen Niveau. Ein wichtiges Kriterium für die Schmuckgestaltung ist ganz sicher die plastische Qualität: die Frage, ob etwas nur „vordergründig“ plakativ ist oder ob es wirklich Relieftiefe oder gar ertastbaren dreidimensionalen Ausdruck hat. Dieser wichtige Punkt spielt in dem gesamten Schaffen von Franziska Kelz-Blank eine bedeutende Rolle.

Die Auseinandersetzung mit dem Metall zwingt zum Hineingehen in die dritte Dimension und damit dann später in die selbstständige Skulptur. Der Reiz vieler Metalle und ganz besonders der Edelmetalle liegt in der Aufnahme und Spiegelung von Licht und Dunkelheiten.

Aber Frau Kelz-Blank steigert diese Eigenschaften der Edelmetalle in ihrem Schmuck durch Kontraste mit anderen Naturmaterialien: durch Holz, Leder, Elfenbein, durch Schnecken und Muscheln, die dann oft sogar den Formansatz bestimmen. Natürlich verwendet sie auch Schmuck- und Edelsteine, gelegentlich auch Diamanten, aber auch dann entsteht kein üblicher Juwelenschmuck, sondern der Brillant wird als Lichtakzent gesetzt. Perlen, Schnecken, Muscheln und Korallen sind im Grunde Naturmaterialien. Frau Kelz-Blank nimmt diese Wachstumsformen und Strukturen auf und gestaltet in sensiblem Eingehen auf die Entstehungsprozesse der Natur ihre eigene Formvorstellung.

Während die Ansteckschmuckstücke und die Anhänger oft wie kleine Miniaturen sind, werden ihre Ringe zu dreidimensionalen, plastischen Gebilden, sie umspielen den Finger, werden Teil der Hand, machen fast die Bewegungen der Hand mit. Es sind immer Formen voller Spannung, aber es bleibt doch immer eine Harmonie in der Ausgewogenheit der Teile zueinander bestehen. Seit nunmehr 20 Jahren arbeitet Franziska Kelz-Blank am Goldschmiedewerkbrett und gestaltet mit immer größerer Intensität ihren Schmuck. Die Leidenschaft zu diesem Beruf hat Rainer Maria Rilke in einem Gedicht so trefflich beschrieben, daß ich es an dieser Stelle mit seinen Worten sagen möchte:

Der Goldschmied
Reiner Maria Rilke, 1875 - 1926

Franziska Kelz-Blank bei der Arbeit

Warte, langsam, droh ich jedem Ringe
und vertröste jedes Kettenglied:
später, draussen, kommt das, was geschieht.
Dinge, sag ich, Dinge, Dinge, Dinge!
wenn ich schmiede; vor dem Schmied
hat noch keines irgendwas zu sein
oder ein Geschick auf sich zu laden.
Hier sind alle gleich von Gottes Gnaden:
ich, das Gold, das Feuer und der Stein.

Ruhig, ruhig, ruf nicht so Rubin! –
Diese Perle leidet, und es fluten
Wassertiefen im Aquamarin.
Dieser Umgang mit Euch Ausgeruhten
ist ein Schrecken: alle wacht Ihr auf!
Wollt Ihr Bläue blitzen? Wollte Ihr bluten?
Ungeheuer funkelt mir der Hauf.

Und das Gold, es scheint mit mir verständigt,
in der Flamme hab' ich es gebändigt,
aber reizen muß ichs um den Stein.
Und auf Einmal, um den Stein zu fassen,
schlägt das Raubding mit metallenem Hassen
seine Krallen in mich selber ein.


Diese Besessenheit prägt sich häufig in der Arbeitsweise der Kelz-Blank aus. Sie montiert also nicht dünnen, auf Effekt bedachten Goldblech-Schmuck, sondern sie schmiedet, feilt oder fräst sehr oft aus dem massiven Material heraus. Dadurch entstehen dann die plastisch-haptisch reizvollen Formen. Und hier findet dann auch der übergang statt, vom Schmuck fort zur Skulptur hin, zunächst natürlich im kleinen Format, gleichsam mit der Hand und in der Handgröße entstanden. Diese Bozetti haben ihren eigenen Reiz in der optischen und haptischen Erfaßbarkeit, in dem eigenhändigen Drehen oder sogar Zusammenstellen mehrerer kleiner Skulpturen durch den Betrachter. In manchen dieser Kleinplastiken glaubt man menschliche Figuren in schneller Drehung zu erblicken: Tanz und Bewegung. Die Dynamik und das Motiv der Spirale als Wachstumssymbol sind in den meisten der Skulpturen zu erkennen.

Die ursprüngliche Formqualität erweist sich dann in der Vergrößerung. Hierbei zeigt sich, ob eine Form in den Umraum hinausgreift und in sich selbst Bestand hat. Es wäre zu wünschen, daß Franziska Kelz-Blank sich auf diesem Weg weiter vorwagt, daß sie Holz, Stahl und Bronze in und gegen die Landschaft stellen darf. Vielleicht hat das dann neue Rückwirkungen auf ihre weitere Schmuckgestaltung und auch auf diejenigen, die diesen Schmuck annehmen und tragen.

Meine Damen und Herren,
wir leben in einer recht nüchternen Gegenwart. Der Herr Oberbürgermeister muß auf einen Zeremonienmeister verzichten und die Ausstellung selbst eröffnen. Aber ein kleines, dem Raum und dem Anlaß gemäßes Requisit möchte ich ihm doch an die Hand geben, nämlich eine schön klingende getriebene Glocke. Sie möge ihn auf Dauer an diese Künstlerin erinnen und daran, daß er noch möglichst viele Ausstellungen hier veranstalten und eröffnen sollte. Denn in einer so schönen, alten, kulturträchtigen Stadt bedeutet Kulturbesitz auch, daß man die Kunst der Gegenwart pflegt und in die Zukunft hineinführt.

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