Gotthold Ephraim Lessing entdeckte in der Handschriftensammlung der Bibliothek von Wolfenbüttel ein Manuskript mit präzisen Anweisungen und Beschreibungen kunsthandwerklicher Techniken. Der Autor nennt sich Theophilus Presbyter und ist wahrscheinlich identisch mit Rogerus aus Helmertshausen, der an anderer Stelle genannt wird. Aus verschiedenen Zusammenhängen lässt sich die Datierung auf 1100 bis 1120 fixieren. Es gibt in Wien, London und Wolfenbüttel je eine komplette Abschrift und über 10 Teilabschriften des Manuskripts.
1874 übersetzte Albert Ilg das lateinische Werk ins Deutsche. Aber er übersetzte nur Worte ohne jede Fachkenntnis, so dass der Text für das praktische Verständnis unbrauchbar war.
Prof. Dr. Erhard Brepohl, der selber Gold- und Silberschmiedemeister, Diplomdesigner und Ingenieur ist, nutzte seine umfassende Bildung, um nun diese einzigartige Enzyklopädie des mittelalterlichen Kunsthandwerks so zu übersetzen, dass der Text nicht nur für Historiker interessant ist, sondern auch für Handwerker nachvollziehbar wurde.
In Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Brepohl schmiedete die Gold- und Silberschmiedemeisterin Franziska Kelz-Blank den kleinen Kelch des Theophilus. Die mittelalterlichen Techniken wurden genau nach den Anweisungen des Theophilus vollzogen; es wurde gearbeitet wie vor 900 Jahren. Das war mühsam! Die Geduld, aber auch der Erfindungsreichtum der mittelalterlichen Künstler sind bewunderungswürdig.
Und es ist erstaunlich, was sie ohne Elektrizität und Elektronik zustande gebracht haben. Die Gold- und Silberschmiedemeisterin, die sich bisher überwiegend mit den neuesten Entwicklungen befasst hat und deren Werkstatt mit aktuellster Technik umfassend ausgestattet ist, hat durch die Beschäftigung mit der Vergangenheit eine interessante Erfahrung gemacht. Doch anschließend freute sie sich auf ihre moderne Werkstatt und die vielen Möglichkeiten der Gestaltung, die in unserer Zeit zur Verfügung stehen.