Schmuck + Skulptur, Volksbank Beuel, 1974
Franziska Kelz-Blank
Diavortrag von Professor Dr. Heinrich Lützeler
Meinen Damen und Herren, was ist ein Schmuck?
Leicht zu definieren: Ein Zierat am Körper des Menschen, ein Zierat am Gewand des Menschen. Am Körper des Menschen als Krone, Diadem, Stirnreif, Ohrring, Halsband, Armband, vielleicht als Schulterstück in Konkurrenz mit den Generälen dabei können Sie Meditationen anstellen und schließlich als Fußreif. Und ein Zierrat am Gewand des Menschen als Brosche oder als Gürtel oder als Gehänge im mittelalterlichen Waffenschmuck.
An sich erscheint diese Definition banal, aber in dieser Definition sind alle Möglichkeiten ausgedrückt und enthalten, die sich vom Schmuck her ergeben. Auf Haltung und Gestaltung kommt es im Schmuck an, Haltung des Trägers oder der Trägerin des Schmuckes. Ohne den Menschen ist Schmuck gar nicht zu denken, während ein Gemälde oder eine Plastik ganz ohne den Menschen zu denken ist.
In diesem Bezug von Kunstwerk und Mensch liegen auch alle künstlerischen Gestaltungsprobleme beschlossen. Nun könnte man sagen, nimmst du denn nicht den Schmuck zu wichtig?
Die eine Gruppe sagt, was ist denn schon der Schmuck? Ein heller Flecken, ein hübscher Akzent, eine süße Eitelkeit, um eine hoffentlich süße und nicht verfettete Person, vielleicht auch eine Schaustellung des Reichtums, nach dem Kölschen Wort: mer han jet an de Fööß, Madam. Aber nicht nur an den Füßen, sondern außerdem am Kopf, an den Ohren und an den Händen. Das sagen die einen und die meinen: Es ist doch unsinnig, Schmuck so wichtig zu nehmen, lieber Lützeler. Ist ihnen nicht die Decke der Sixtiner von Michelangelo schließlich lieber als Manschettenknöpfe von der Kelz-Blank?
So steht also das Thema derer, die den Schmuck an den Rand drängen. Ich würde sagen, ich halte die Decke des Michelangelo für bedeutender als die Manschettenknöpfe von der Kelz-Blank, aber ob sie für mich wichtiger ist, das ist die Frage. Ich würde weiter sagen: Warum denn in solchen Antithesen denken? Alle Antithesen sind falsch rechts und links, konservativ und progressiv, oder in der Kunstwissenschaft: idealistische und realistische Kunst.
Es gibt eben gegenüber den Spitzenleistungen der Künstler, die Seele und Schicksal des Menschen berühren, einen weiten Bereich des Lebens, den wir gestalten wollen. Unser Leben soll ja nicht belanglos sein, wir legen einen schönen Garten an um unser Haus und versuchen ein Heim zu schaffen mit wohligen Maßen und rechter Beleuchtung, in dem wir uns zuhause fühlen; wir geben dem Alltag einen kleinen Akzent: Da finden Sie einen Löffel oder einen Tortenheber
oder eine reizende Zuckerdose, die man freilich mit Kandiszucker füllen muß, sonst wirkt das Kunstwerk nicht so ganz, da muß man der Künstlerin etwas nachgeben.

Und vor allem im Schmuck reichern wir ja auch eigentlich unsere Individual- und unsere Intimsphäre an. Wir sind ja etwas Persönliches, wir wollen uns persönlich entscheiden in Kleid und Schmuck, und gerade Kelz-Blank ist auf das Individuelle, auf die individuelle Trägerin gerichtet. So also muß man die Sache bewerten: Eine eigene Bedeutung hat der Schmuck.
Und nun möchte ich einige Perspektiven im Hinblick auf die hier ausgestellten rund 200 Schmuckstücke entwickeln. Das erste: Viele bestehen aus kostbarem Material, aus Silber und Gold, aus edlen Steinen, wie Turmalin, Amethyst, Malachit, Achat, Saphir. In diesen Materialien wird uns die Schönheit der Schöpfung bedeutsam. Wir sehen plötzlich, wie verschwenderisch schön die Schöpfung sich uns darbietet.
Aber es gibt ja auch viele einfache Materialien, ein Beweis dessen, daß es der Künstlerin nicht auf die Schaustellung des Reichtums ankommt. Da ist z.B. ein Stück Holz, und um das Stück Holz ist ein asymmetrisches Blatt Gold gelegt. Das werden Sie gleich sehen: Gar nichts an kostbarem Material in dem Holz, verbunden mit einem schönen, durchgeformten, kostbaren Material.
Sie finden hier auch modernes Material. Sehr töricht zu glauben, nur die Alten hätten uns Materialien geliefert.
Wir erfinden neue Werkstoffe, und so finden Sie hier z.B. einen Set in ausgezeichnetem Modeschmuck. Manchmal hat die Künstlerin geradezu aus einem Torso etwas gemacht.
Da hat man ihr einen zerbrochenen Malachit gebracht, und sie hat ihn mit goldenen Stäben umgeben und zu einem Schmuckstück gestaltet.
Und wenn Sie all das durchsehen, werden Sie eine geheime Vorliebe von ihr entdecken, das ist die Vorliebe zum Wasser. Sie hat gern Muscheln und Korallen.
Achatrosen das ist verkieseltes Meeresgetier , und Perlen kommen auch aus dem Meer.
Und daß sie eine so große Liebe zum Wasser hat, darin zeigt sich an, daß ein Urphänomen in der ganzen Menschheitsgeschichte auch heute noch wirkt. Man kann die Geschichte der Menschheit überhaupt nicht begreifen ohne die Verehrung des Menschen für das Wasser. Und nun möchte ich Ihnen nach dieser Einleitung einige Grundzüge der Form schildern. Ich sehe hier eine Perlenkette mit einem goldenen Zierschloß, und das ist um eine Achatrose gelegt. Ich sagte Ihnen schon: Die Achatrose hat mit Achat nichts zu tun, ist ein verkieseltes Meerestier.
Und da sind Drähte, angeschmolzen und um die Achatrose gelegt und über und um die Perlen, die ihr zunächst stehen. Dieses Schloß ist auch als Brosche verwendbar. Was gäbe es einfacheres als Perlen, als Halsband, als Brosche? Und nun sehen Sie, wie aus dieser uralten Konzeption hier etwas phantasievoll Neues gemacht worden ist.
Es zeigt sich hier eine ausgesprochene Kraft der Phantasie, ein Sinn für
das Mannigfaltige: Was alles kann eine Kette sein? Ich zeige Ihnen noch ein Beispiel für diese Phantasiefülle: Das sind Manschettenknöpfe.
In der Vergangenheit sehr üblich, heute wenig in Gebrauch. Bei diesem Paar erfolgte die Bearbeitung des Metalls mit Punzen und Hammer. Dadurch kam die Verformung des Metalls zustande. Eine alte Technik ist hier neu konzipiert und angewandt.
Aber Frau Kelz-Blank möchte die Herren noch geschmückter sehen. Und hier liegt ein dolles Produkt aus einer Halskette mit Anhänger, die sollen die Herren statt einer Krawatte tragen.
Wenn ich so vor meine Freunde trete, muß ich sagen: Finden Sie, daß Constanze sich richtig verhält? Aber das muß für Sie gleich ein Gegenstand der Diskussion sein.
Nun möchte ich Ihnen einmal einfach mit kunsthistorischen Mitteln schildern, was an künstlerischer Kraft hier vergegenwärtigt ist. Das erste, was mich fesselt, ist das ausgesprochen Irrationale. Sehen Sie, hier ist eine Brosche in Gold mit einem Rubinkristall, da ist das Gold in einer völlig irrationalen Form herumgelegt.
Es spottet jeder Berechenbarkeit, es vermeidet alle Symmetrien. Filigranartig überspielen die Golddrähte den Rubin, und auf dem Drahtgeflecht sind feine Goldspäne aufgeschweißt. Sie sehen unsere durch und durch genormte Welt. Berührt uns hier an einem kleinen Schmuckstück der Zauber des Unvorhersehbaren, der Zauber des Unberechenbaren, so ist das der Sinn eines solchen Schmuckstücks.
Und ein weiteres Beispiel für diese Irrationalität: Sehen Sie hier eine Brosche Gold, Perlen, Fächerkoralle.
Die Fächerkoralle hier dieses rötliche, Sie sehen es gleich im Original ist im Schmuck eigentlich nie verwandt worden. Sie ist ungemein fragil. Nun ist sie hier in Polyester eingegossen und dadurch stabilisiert. Der Untergrund, auf dem sie erscheint, ist poliertes Gold, und dadurch spielen sich die feinen Korallenadern immer anders, je nachdem wie die Trägerin sich bewegt. Das stelle ich mir faszinierend vor. Ich werde also demnächst bei der Trägerin nur noch die Korallenbrosche ansehen, und dann sagt sie plötzlich: Können Sie mir nicht auch mal ausnahmsweise ins Gesicht gucken? Das ist also der eigentümlich verführerische Zauber, der von einer solchen leichtbewegten Fächerkoralle ausgeht.
Ich komme zu einem zweiten Zug neben dem Irrationalen: etwas ganz anderes, das Plastische. Das ist ein ägyptisches Königssiegel. Da hat also die Frau Kelz-Blank zwei Goldplatten genommen, hier eine und da eine und noch einmal zwei, hier eine und da eine,
und die hat sie spiralenförmig ausgesägt und miteinander verlötet. Nun beginnt hier unten sich ein greifbares Moment zu bilden, und hier oben auch, aber ausschwingend, und in der Mitte steht greifbar dieses ägyptische Königssiegel. Es hat einen eigenen Zauber, daß wir etwas greifen können, daß wir einen klaren Aufbau sehen. Das alles ist hier ein neues gestalterisches Ziel.
Und noch ein Beispiel zeige ich Ihnen für diesen plastischen Stil: eine Brosche. Die ist photographisch nicht ganz wiederzugeben. Überhaupt ist ja Schmuck sehr schwer zu photographieren.
Das ist zu hell, das ist ein hellpoliertes Gold, und das hier ist ein dunkles Gold, das ist ein glattes Gold, das ist ein körnig gemachtes Gold. Und dann sehen Sie hier einen hellen Stein und einen dunklen Stein. Kontrastierend ist das gegeneinander gesetzt, und das Plastische besteht darin, daß Sie aus einem Untergrund, also aus der Haut und dem Kleid des Menschen aufsteigen zu diesem Rahmen, höher steigen, auf eine zweite Platte steigen, wieder höher steigen zu dem Stein. Es ist also eine durch und durch plastische Gestaltung.
Und ich komme zu einem dritten Grundzug neben dem Irrationalen und dem Plastischen: Das ist das Raumhafte. Sehen Sie, das ist eine Brosche mit Riefen und Knicken,
da schauen Sie in einen Raum hinein, und der Raum ist ein weiteres Element für die Gestaltung des Schmuckes. Von innen ist dieser Raum glatt poliert, hell poliert, und oben ist das Gold oxydiert. Es ist ein schwieriger technischer Prozeß, das herbeizuführen, denn Gold oxydiert an sich nicht. Dieses Gold ist in der Lebendigkeit noch gesteigert durch aufgeschweißte Späne.
Und noch ein Beispiel für dieses Raumhafte. Sie sehen hier einen Goldring mit einem gelben und zwei braunen Brillanten. Brillanten können in den verschiedensten Formen erscheinen.
Die Künstlerin hat das Goldband zweimal um den Finger geschlungen, dadurch entsteht hier ein schalenartiger Raum, und in ihm erscheinen die drei Brillanten in gekörnter, rauher Umgebung.
Ich fasse zusammen. Sie können ein Schmuckstück analysieren, wie man überhaupt in der Kunstgeschichte analysiert. Und es ist gut, genau hinzuschauen, wenn Sie gleich durchgehen. Ich habe diese Analyse nach dem Irrationalen im Plastischen, im Räumlichen, darum durchgeführt, um Ihnen zu zeigen, daß Kunst echte Gestaltung ist. Wer zweifelt eigentlich daran? Nur wir.
Die Geschichte des Schmuckes ist umfassend. Sie setzt ein mit den ersten künstlerischen Leistungen des Menschen, mit der älteren Steinzeit. Da gibt es Schmuck aus Zähnen; Halsketten aus Zähnen, Muscheln, Steinchen; Armbänder aus Ton oder Kalksteinen; Hängezierat aus Bernstein.
Ich kann Ihnen die Geschichte des Schmuckes nicht schildern, ich mache nur ein paar Zeitsprünge, und wir beginnen hier mit einem Schmuck aus 2600 vor Christus, aus einem Grab im Königsfriedhof von Ur. Die hochgestellten Personen, Könige oder so, sind beigesetzt. Und diese Toten sind kostbar geschmückt, weil man hofft, daß sie eines Tages in ihrem Grab zu einem neuen Jenseits im Leben erwachen. In einigen Fällen ist eine lebendige Gesellschaft mit in das Grab gegangen bis 80 Personen und die haben einen Rauschtrank getrunken und sind dann entschlafen. Doch sie alle sind geschmückt, und der Schmuck ist oft so schwer, daß man ihn kaum im normalen Alltag hätte tragen können. Vielleicht war er für diese Zeremonie allein bestimmt 2600 vor Christus.
Nun kommt der große Zeitsprung auf 250 vor Christus. Und zwar sehen Sie hier einen chinesischen Schmuck aus der Stadt Xi'an. Xi'an ist die älteste Stadt Chinas. Heute hat sie 350.000 Einwohner und Baumwoll-, Maschinen- und Düngerfabriken. Xi'an war zweimal die Hauptstadt Chinas, 500 Jahre lang von 770 bis 256 vor Christus und dann noch einmal von 25 bis 220 nach Christus.
Dieser Schmuck ist aus Jade gearbeitet. Jade ist ein sprödes Material, noch spröder als Glas. Technisch bewunderungswürdig ist es, wie diese kleinen Kugeln in Jade ausgesägt wurden. Und nun entsteht hier ein Wolkenband, und ein Drache erscheint. Der Drache ist in China das gute Tier, das den Regen bringt, ist also wie eine Figuration von Wolken. Und hier am äußeren Rande sind noch einmal Drachen dargestellt. Wie hat man diesen Schmuck getragen? War es ein raffiniertes Schmuckstück, war es ein Amulett, das Böses abwehren sollte, oder war es vielleicht ein sakrales Gerät? Das wissen wir nicht.
Und nun springe ich wieder 2000 Jahre weiter und komme zum Jugendstil. Das ist ein Anhänger aus dem Jahre 1900.
Die Geschichte des Schmuckes ist unermeßlich, in allen Ländern, bei allen Völkern. Und vergessen wir auch die Rolle des Schmuckes nicht. Bei den Naturvölkern spielt der Schmuck eine große Rolle als Rangabzeichen zur Kennzeichnung der Familien- und Stammesgehörigkeit, auch als Amulett. In der Volkskunst spielt der Schmuck eine große Rolle z.B. im Elsass als Bräutigamssträuße und Brautkronen aus Perlen, Glas und Filigran.
In drei riesigen Zeitsprüngen haben wir die Geschichte des Schmuckes charakterisiert, von 2600 nach 250 vor Christus: 2350 Jahre, von 250 vor Christus zum Jugendstil: 2150 Jahre.
Ich sage Ihnen das, um die ganze geschichtliche Macht des Schmuckes darzustellen. Dies ist die erste Schmuckausstellung, die Bonn sieht. Sie sehen also, hier wird eine große Tradition vergegenwärtigt. Wahrhaftig vergegenwärtigt. Denn heute wird wunderbarer Schmuck geschaffen. In Pforzheim gibt es ein eigenes Schmuckmuseum. Da habe ich japanischen Schmuck aus dem heutigen Japan gesehen großartig.
Da habe ich französischen Schmuck gesehen aus der Zeit 1962, 1965. Dem kommt Kelz-Blank nach. Nicht als ob sie davon beeinflußt wäre, sie lebt aber in dieser stilistischen Sphäre.
Und nun darf ich Ihnen ein Photo der Werkstatt von Kelz-Blank zeigen. Sie hat sehr viel gelernt. Sie ist handwerklich tüchtig. Man kann Schmuck nur schaffen, wenn man mit vielen verschiedenen Materialien und Techniken umgehen kann. Aber letztlich kann ich dieses nicht im Lichtbild zeigen.
Und nun gehen wir über zur Vorführung des Schmuckes. Als Übergang darf ich Ihnen gerade noch abschließend zwei Lichtbilder zeigen. Das eine kann man ganz verschieden tragen, das andere als einfachen Halsring.
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